Saarbrücker Zeitung, 30.10.2014
Bis zu 200 000 Euro gibt der Landkreis Merzig-Wadern aus, um die Friedrich-Bernhard-Karcher-Schule in Beckingen bis zum nächsten Frühjahr barrierefrei zu gestalten. Der Kreistag billigte in seiner jüngsten Sitzung einstimmig einen entsprechenden Vorschlag der Verwaltung.
Bisher sind sowohl das Schulgebäude der Gemeinschaftsschule in Beckingen als auch die Räume für die Freiwillige Ganztagsschule in der benachbarten Turnhalle der Beckinger Grundschule für Menschen mit körperlicher Behinderung nicht barrierefrei nutzbar. Seit diesem Schuljahr wird aber nun ein körperbehinderter Junge an der Gemeinschaftsschule unerrichtet.
Er soll, wie der Landkreis nach Angaben des zuständigen Dezernenten Dirk Käsbach erst kurz vor Ende der Sommerferien erfuhr, auch die Nachmittagsbetreuung in der Freiwilligen Ganztagsschule besuchen.
Wie Landrätin Daniela Schlegel-Friedrich in der Kreistagssitzung erläuterte, ist der Kreis zudem zuständig für den Transport von behinderten. Schülern zum jeweiligen Schulstandort. Wenn der Schüler, der an der Beckinger Schule aufgenommen worden ist, zur nächsten barrierefrei ausgebauten Gemeinschaftsschule, nämlich jener in Merzig, transportiert worden wäre, hätte das nach Berechnungen der Kreisverwaltung zu Transportkosten von 15 000 Euro im Jahr geführt. Beim Besuch der Schule in Beckingen fallen lediglich 5000 Euro an. „Wir sparen also pro Schüler und Jahr 10 000 Euro, wenn wir die Schule in Beckingen barrierefrei umbauen“, rechnete Schlegel-Friedrich vor. Es sei absehbar, dass bald weitere Schüler mit Behinderung in der Schule aufgenommen würden. Umso eher rechne sich auch der Umbau des Schulgebäudes.
Damit dort Barrierefreiheit erreicht werden kann, sind nach Darstellung der Kreisverwaltung zwei Maßnahmen erforderlich: So muss an das Gebäude der Grundschulturnhalle ein Aufzug angebaut werden, damit die Räume für die Nachmittagsbetreuung der Schüler der Gemeinschaftsschule zu erreichen sind. Diese befinden sich im ersten Obergeschoss der Turnhalle und werden dem Landkreis von der Gemeinde Beckingen mietfrei zur Verfügung gestellt. Die Gemeinde ist bereit, im Erdgeschoss des Gebäudes eine Behindertentoilette einzurichten. Sie habe zudem zugesagt, den Betrieb und die Wartung des Aufzuges nachfolgend zu übernehmen.
Allerdings will die Kommune sich nicht an den Kosten für den erforderlichen Einbau des Liftes beteiligen. Diese werden von der Kreisverwaltung, je nach Art der Ausführung, auf 35 000 bis 50 000 Euro geschätzt.
Landrätin Daniela Schlegel-Friedrich stellte klar: „Das Problem ist mit dem Einbau des Aufzuges noch nicht vollständig behoben. Es müssen weitere Investitionen im Schulgebäude selbst erfolgen.“ Denn auch dort sind die Klassenräume in den oberen Etagen bislang nur über Treppen erreichbar. Als Sofortmaßnahme soll in den Herbstferien ein Treppenlifter zur Verbindung der halbgeschossig versetzten Ebenen zwischen Alt- und Neubau-Trakt des Schulgebäudes installiert werden. So könnten zumindest die Räume im ersten Stock von dem behinderten Schüler künftig genutzt werden. Um vollständige Barrierefreiheit zu erlangen, muss allerdings im Innenhof des Gebäudes ein weiterer Aufzug angebaut werden, über den dann die drei Etagen der Schule erreicht werden können. Die Kosten für diesen Aufzug schätzt die Verwaltung auf etwa 140 000 Euro.
Auf Nachfrage des Kreistagsmitgliedes Michael Schettle (AfD), dem dieser Wert „unverhältnismäßig hoch“ erschien, erläuterte Michael Klauck von der Bauverwaltung des Kreises: „Das Problem bei der Schule in Beckingen ist, dass wir dort zwei miteinander verbundene Gebäude haben, die halbgeschossig versetzt sind.“ So seien umfangreiche Erdaushubarbeiten für den Lift erforderlich. „Je nach Ausführungsvariante müssen wir zudem bestimmte Sicherheits- und Bauauflagen einhalten“, ergänzte Klauck.
Während der Treppenlifter im Schulgebäude nach den Herbstferien zur Verfügung stehen soll, dürfte der Anbau des ersten Aufzuges an die Grundschul-Turnhalle bis Frühjahr 2015 dauern. Der zweite Aufzug für das Gebäude der Gemeinschaftsschule selbst würde dann im Laufe des kommenden Jahres folgen.
Hintergrund:
Der Landkreis steht als Schulträger in der Pflicht, die Schulräume barrierefrei zu gestalten. Die Kreisverwaltung wies darauf hin, dass laut saarländischem Behindertengleichstellungsgesetz schon seit 1. Januar 2014 in öffentlichen Gebäuden weitgehende Barrierefreiheit gewährleistet sein muss. „Danach sind bauliche Anlagen barrierefrei, wenn sie für Behinderte in der allgemein üblichen Weise ohne besondere Erschwernisse und grundsätzlich ohne fremde Hilfen zugänglich und nutzbar sind.“ Auch das Schulordnungsgesetz des Landes zwingt den Landkreis zum Handeln: Seit dessen Novelle zum 1. August ist darin festgelegt, dass Kinder mit Beeinträchtigungen grundsätzlich eine allgemeinbildende weiterführende Schule besuchen müssen statt wie bislang eine Förderschule.